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Transit

  • Autorenbild: Ralph
    Ralph
  • 11. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

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Portofino hatte ich noch im Kopf, als ich in den Zug steigen wollte. Mein Telefon klingelte, meine Ex-Frau wollte mit mir sprechen, und es war meine beste Freundin am Apparat. Personalunion.Natürlich hatte sie meine Bilder gesehen. Natürlich wusste sie, wo ich war. Und natürlich erinnerte sie sich, woran eigentlich? An schöne Zeiten? Als ob wir je schlechte gehabt hätten.

Wir quatschten, endlich mal wieder in derselben Zeitzone, nur unterbrochen von den Funklöchern in den Bahntunneln. Lange, sehr lange. Als ich beinahe oben am Campingplatz war, setzte ich mich noch auf die Treppen, und wir redeten weiter. Ein sehr angenehmes Gespräch, manche Menschen vermisst man einfach, andere eher nicht.

Meine Freundin hatte sogar Komplimente für mich: „Endlich weiß sie, wie es ist, die Intelligentere in einer Beziehung zu sein.“ Das bringt mich noch heute zum Schmunzeln. Die Wahrheit ist: Wenn du intelligent bist, weißt du gar nicht, wie es ist, dumm zu sein. Du weißt nur, was du nicht weißt, und empfindest dich selbst kaum als besonders klug. Du überdenkst Dinge auf die merkwürdigsten Weisen, zögerst, bist unsicher, hast für jeden Fall zwölftausend Eventualitäten im Kopf. Und das Schlimmste? Du kannst die Motive anderer oft gar nicht nachvollziehen, weil du einfach anders denkst. Dazu kommen noch paranoide oder schizophrene Züge, die man irgendwann mit Humor nimmt.

Und nun erzählt mir diese sehr intelligente Frau, dass ich in 17 Jahren Beziehung der Intelligentere gewesen sei. Sicher, meine Liebe. Dumm bist du aber auch nicht.Da saßen wir also und schwelgten in Erinnerungen, erzählten uns Neues. Die Sonne war längst untergegangen, als ich mich endlich von den steinigen Treppen erhob und die letzten Schritte Richtung Da Berto machte, leider war das Restaurant früher besser.

Der nächste Morgen war etwas stressig, ich musste ja tatsächlich einen Tag früher los. Bahnstreik in Italien. Das Umbuchen der Fahrkarten war erstaunlich unkompliziert, in der französischen App ein Klick, und die italienischen Tickets tauschte ich am Schalter in Ventimiglia. Einfacher geht’s kaum.Den letzten italienischen Kaffee an der Grenze getrunken, und weiter. Ich startete früh, kam aber spät in Nizza an. Keine Ahnung, wo die Zeit blieb. Unterwegs hörte ich das neue Taylor-Swift-Album durch und starrte aus dem Fenster. Kann man machen. War so geplant. Musikalische Prägung, oder eher Imprägnierung. Wenn ich künftig eines dieser Lieder höre, sitze ich wieder im Zug entlang der Mittelmeerküste. Es gibt schlimmere Assoziationen.

Abends in Nizza, was tun? Essen natürlich. Und dann? Strandpromenade. Und dann? Ein kurzer Abstecher ins Casino. Kein Glück diesmal, sie machten kurzen Prozess mit mir. 40 Minuten später und ein paar Euro leichter ging ich geknickt Richtung Hotel. So ereignislos wie der nächste Tag: den ganzen Tag Zugfahren, Aufenthalt hier, Aufenthalt dort, Essen hier, und ja, auch dort. Dieselbe Musik auf den Ohren.

Abends kam ich um 22 Uhr in Barcelona an, und wurde gleich zum Essen gerufen. „Die Reste“ – die sich als hervorragender Hauptgang entpuppten. Ich bin schon mit einer außergewöhnlichen Gruppe unterwegs, wirklich. Exzellente Leute, durch die Bank weg. Ich ziehe meinen Hut, und bin geehrt, ein Teil davon zu sein. Wir machen etwas richtig Gutes, genau meinem Herzen nach.

Der erste Konferenztag begann mit Churros und Sightseeing, dann Anmeldung, Gruppenfoto, Meetings, Essen, Party und so ging es weiter, Tag für Tag. Wissenschaftlich nehme ich jetzt, in der Nachbetrachtung, erst richtig etwas mit; alles ist ja online, und ich arbeite Poster und Vorträge nach. Die Tage vergingen im Flug, dann die nächtlichen Anrufe aus Australien, Mails, kaum Zeit zum Durchatmen. Alte Bekannte, neue Gesichter, ja, sogar ich lerne manchmal Leute kennen.

Ich habe es vermisst, mich auf Deutsch zu unterhalten. Gespräche zu führen, die so viele Ebenen haben, dass man darauf zum Mond laufen könnte. Menschen, die man eigentlich nicht kennt, die sich aber sofort vertraut anfühlen, als kenne man sie schon ewig. Und dann, muss man sich wieder trennen. Das tut weh. Diese Sehnsucht wird wohl nie sterben, egal wie alt ich werde. Jetzt lebe ich am anderen Ende der Welt. Nicht zu sehr nachdenken, die kalte Sehnsucht nach der einen Person kann grausam sein und verbrennt die Seele.

Ich blieb noch zwei Tage länger in Barcelona als geplant, weil der Weg nach Cartagena immer noch nicht so funktionierte wie früher, dem Unwetter in Valencia vor ein paar Jahren geschuldet. Also saß ich auf der Dachterrasse des Hotels, mit Kollegen, nach dem Sightseeing, vor dem Abendessen und chillte.

Der nächste Tag: gleiches Spiel, aber ohne Kollegen, die schon abgereist waren. Ich lief allein durch diese riesige Stadt, ohne Ziel, jagte Gedanken, sortierte mich neu. Mittags kurz ins Hotel, ein bisschen arbeiten, dann wieder raus, auf den nächsten Hügel. Es sah nach einem vielversprechenden Sonnenuntergang aus. Wurde dann ein Regenguss. Schirm im Zimmer, natürlich. Was bin ich in meinem Leben schon nass geworden, es ist gar nicht so schlimm. Ich bedauerte nur, dass ich keine guten Fotos bekam.

Mehr habe ich eigentlich nicht zu sagen. Dieser Eintrag entstand nur, weil ich so schöne Bilder gemacht habe (zwei Stück immerhin) und nicht weiß, welches das Titelbild werden soll.Weiter geht’s, zur nächsten Station: Paris. Wird wohl ereignislos verlaufen.Ansonsten: Barcelona ist noch immer wie früher. In diesem Sinne.

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