Berlin
- Ralph

- 23. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Auch der längste Arbeitsurlaub geht einmal zu Ende, und ich kehre eigentlich voller Freude nach Hause zurück. Eigentlich. Es gibt da jedoch etwas, das mich in der Flughafenlounge in Tempelhof gerade sehr melancholisch lächeln lässt. Es ist nicht das Wetter, das mich wehmütig stimmt, ich fliege schließlich in den Sommer. Aber manche Dinge schreibe selbst ich nicht ins Internet.
Was war das für ein Trip: Rom, Genua, Nizza, Barcelona, Paris, Stuttgart und Berlin. Klingt nach viel, war es auch. Besonders mit 42 Kilogramm Gepäck. Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen neu und alt, hin und her, auf und ab. Ich muss das alles erst setzen lassen. Im Moment definiere ich es als Rückkehr nach Hause, nach Australien, zu meinem Fahrrad, meiner neuen Couch, der Kaffeemaschine, dem Fernseher und den zwei Töpfen, die ich besitze. Der Rest schippert vermutlich noch irgendwo im Indischen Ozean herum.
Wie war Berlin? Tatsächlich ein bisschen wie nach Hause kommen. In den letzten sechs Jahren war ich siebenmal dort. Ich kannte die Ecken, die Plätze, sogar die öffentlichen Verkehrsmittel, die übrigens, entgegen vieler Gerüchte, hervorragend funktionierten. Weniger Baustellen, sonst? Alles beim Alten, klasse Stimmung auf den von mir besuchten Konzerten.
Und was war eigentlich der Sinn dieser Reise? Das frage ich mich jetzt, hier in Doha, auf dem Rückweg nach Brisbane. Natürlich Konferenzen. Natürlich Entspannung, oder wie man in Australien sagt, Downtime. Wenn man vier bis sechs statt zwölf bis sechzehn Stunden arbeitet, nennt man das wohl so. Erfolgreich war es trotzdem. Was man eben Arbeit nennt. Ein Maurer bleibt nachts um Mitternacht nicht wach, um mit seinem Team zu kommunizieren, und steht dann um sieben wieder auf, mit siebenunddreißigzweiunsvierzig ungelesenen E-Mails. Die Zeit dazwischen gehörte meistens mir, außer an Konferenztagen.
Warum also wieder Rom, Genua, Paris und Berlin, genau die Orte wie im letzten Jahr?Genau darum. Ich wusste, wie es mir damals ging. Ich wollte vergleichen. Und siehe da, ich schneide heute besser ab. Deutlich besser. Ich ärgere mich nur noch über mich selbst, über die letzten eineinhalb Jahre. Eineinhalb Jahre manipulative Kacke. Naja, manipuliert wird nur, wer sich manipulieren lässt.
Im Jahr 2024 hatte ich eine Stelle in Berlin in der Tasche. Mehr Geld, viel mehr Geld. Berlin ist eine großartige Stadt, viel aufregender als der Pott. Daran musste ich denken, als ich dieses Jahr wieder dort war. Dieses ewige Abwägen damals: Gehen oder aushalten. Sie legten mir einen offenen Vertrag bis Ende 2024 hin, ich hätte jederzeit unterschreiben können, und wahrscheinlich hätte ich es auch getan, so hat mich es in Essen immer wieder abgefickt, trotz festem Vertrag. Wenn Mensche ihren Frust an anderen auslassen, das kann schon richtig tief gehen. Doch dann kam AdvanCell. Und siehe da, plötzlich geht es mir gut. Klar, es ist stressig. Aber es ist guter Stress. Er lohnt sich.
Wollte ich je auswandern? Nein. Vermisse ich Europa? Ja und nein. Ich vermisse, dass Menschen abends draußen zusammensitzen, rauchen, reden und einfach leben. In Queensland ist um 18 Uhr Schluss.Klar vermisse ich es, Deutsch zu sprechen, fließend und selbstverständlich. Aber vieles vermisse ich nicht. Zum Beispiel das Wetter. Und, um ehrlich zu sein, mein Leben langweilte mich. Es war festgefahren, eingefahren, gefangen.
Hier ist alles neu, aufregend und fordernd. Und das ist gut so. Irgendwann wird auch das mal langweilig, aber vielleicht bin ich dann endlich alt genug, das zu akzeptieren.
War das der Sinn der Reise, mir das bewusst zu machen? Vielleicht. Ich wollte abschließen mit den letzten eineinhalb Jahren. Ich dachte oft daran zurück, aber diesmal ohne Emotion. Jedes Mal, wenn ich mich an damalige Momente erinnerte, war da nichts mehr. Keine Wut, keine Trauer. Als ich durch den Portofino-Park lief, spürte ich, dass ich den Ballast des letzten Jahres nicht mehr mit mir trug. Ich hatte längst einen Schlussstrich gezogen. Und das war gut so.
Nicht nur mit den letzten eineinhalb Jahren, mit vielem. Mein Leben ist jetzt nach vorn ausgerichtet, nicht mehr nach hinten. Es ist es nicht mehr wert, sich darüber Gedanken zu machen, was war.
Jetzt sitze ich hier, in meiner Wohnung, die Sonne geht auf, die SWR1-Hitparade läuft, diese eine Woche im Jahr. Und ich habe ein Lächeln im Gesicht. Dieses Lächeln hat einen Grund. Wohin es führt, werden wir sehen, in diesem Sinne.




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