Rom 24
- Ralph
- 24. Dez. 2024
- 8 Min. Lesezeit

Das Plastiktablett war grün, mit Brioche & sagen wir Milchkaffee(?) darauf, schnell zusammengepackt und schon war ich auf dem Weg zum Bahnhof. Unterwegs noch 3 richtige Kaffee und schon saß ich im Zug nach Roma Termini. Landschaftlich ist das schon der Knaller zwischen Rom und Neapel, hab ich noch nie mit dem Fahrrad gemacht. Vielleicht irgendwann mal später, vielleicht auch nicht. Unterwegs buchte ich mir ein Zimmer in der Nähe des römischen Bahnhofs Termini, mit Gepäckaufbewahrung, da ich früh in Rom ankam. Den Rucksack kurz im Hotel abgegeben und schon war ich wieder unterwegs, mein Magen knurrte und ich wusste ganz genau wo ich essen wollte, im Matriciana. Schon um die Mittagszeit sehr gut besucht, ich hatte jedoch Glück und konnte noch einen Tisch draußen ergattern. Als Vorspeise Oliven & Brot, dann Pasta a la Carbonare und im Hauptgang Fleisch mit der in Rom typischen Pfeffersoße. Der Nachtisch? Natürlich Kaffee. Boah das war so unglaublich gut und teuer. Aber ich gönne mir ja sonst nichts. Und nun, vollgefressen stand ich nun in der frühherbstlichen Sonne mitten in Rom. Also Bewegung, zur Papal Basilica of Saint Mary Major und zwischen Esquilino und Viminale spazieren gegangen, bis ein Metroschild vor mir aufpoppte. Rein in die U-Bahn und zum Kolosseum und raus in die Menschenmassen mich irgendwie durchquetschen. Bald war ich am im Restaurierungsgerüst verpackten Constantinebogen vorbei und ich lehnte mich an die Mauer und versucht ein Onlineticket für den Archäologischen Park zu ergattern. Ich wollte nicht ins Kolosseum, ohne das war es aber nicht buchbar und der nächst freie buchbare Platz war morgen. Zum verzweifeln, vor allem da immer wieder das Internet wegbrach. Zuviel Leute. Also Plan B, direkt zum Porta Vignola und schauen ob es noch möglich war direkt ein Ticket zu erstehen. Ob ich ins Kolosseum will? Ich verneinte, dann kein Problem. Wieviel Tickets? Solo! Das Gesicht der Verkäuferin erhellte sich, plötzlich sehr flirtiv die junge Dame. Hatte anderes im Sinn, den Nachmittag auf meinem römischen Lieblingshügel verbringen. Der Palatino. Damals 2015, als ich zerschunden und halbtot im Juni die ewige Stadt erreichte war dies die allererste Sightseeingattraktion die ich mir gönnte (eher zufällig). Damals stand ich wie heute oben und Blicke auf das Hippodrom, die selbe Erklärtafel studieren wie damals. Ich schlenderte über den mit Ruinen durchzogenen und mit Pinien bewachsenen Hügel, ließ mich treiben. Mal hier hin, mal dort hin. Blick auf den Circus Maximus, Blick auf das Kolosseum, den Celio, den Aventinio und Blick hinunter auf das Forum Romanum und Campidoglio und das Kapitol. In der Ferne der Vatikan und die Engelsburg. Warum ich den Palatino so sehr liebe? Die ganze Hektik ist dort oben nicht vorhanden, die meisten Touristen bleiben irgendwo zwischen Kolosseum und Forum Romanum hängen und oben sieht man dem ganzen Treiben aus einer gelassenen Distanz zu. Zwischen Domus Flavia, Casa di Augusto und Orti Farnesiani sul Palatino lässt es sich aushalten, hin und wieder ein Brunnen und die Toiletten sind oben auch nicht mit einer langen Warteschlange verbunden. Und vor allem kann man beinahe ganz Rom überblicken. Warum diese Liebe zum Palatin? Plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, damals während meinem Abi, denke es war 98, waren wir 10 Tage auf Klassenfahrt in Rom und unser Hotel war direkt hier. Ich habe es immer gesucht, jedes Mal wenn ich in Rom war und dieses mal habe ich es endlich gefunden. Via di S. Teodoro, Casa Kolbe, da war es direkt vor meinen Augen. Wir wohnten damals direkt vis-a-vis zum Palatino. Oh man, damals als 22 Jähriger hatte ich noch andere Prioritäten als antike Mauern. Die meiste Zeit schwänzte ich die morgendlichen Ausfahrten und schlief aus um abends dann wieder Vollgas geben können. Ich verpasste damals alles und wurde natürlich von meinen Mustermitschüler dafür verachtet. Tja, was soll ich sagen Leute, ich hab mein Studium durchgezogen und ihr? Wenn ich dann gegen Mittag aufgestanden bin, bin ich damals natürlich spazieren gegangen, bis meine Klassenkameraden wieder zurückkahmen. Und wo bin ich zumeist entlanggelaufen, richtig Zirkus Maximus und den Palatino entlang. Frühkindliche(?) Prägung. Deswegen Liebe ich diesen Hügel so sehr. Da saß ich nun stundenlang im Garten unter den Pinien, ließ meine Vergangenen an meinem Inneren Auge vorbeiziehen, irgendwie immer kurz bevor ein neues Kapitel in meinem Leben seinen Lauf nahm war ich in der Ewigen Stadt. Hab ich alles richtig gemacht? Sicherlich nicht. Hab ich alles so gemacht, dass ich mir nichts vorwerfen konnte? Keine Ahnung. Mental geht es mir heutzutage wesentlich besser als noch vor einigen Jahren. Ich habe viele Dinge abgestellt die mich immer wieder runterzogen und mich zu negative Gedankenschleifen & Schuldgefühlen führten. Überdenke ich immer noch zu viel? Ja. Ziehe ich falsche Schlüsse, ja immer noch. Aber es fällt mir heutzutage sehr viel leichter weiterzumachen. Dies liegt vor allem daran, dass ich intensiven Zwischenmenschlichen Kontakt mittlerweile meide bzw zu meiden versuche. Bindungsängste? Ja, auch zurecht! Ich bin einfach nicht kompatibel für intime Zwischenmenschlichkeit, fürchte ich. Lieber einsam & und keine Geschenke zu Weihnachten und im Alter werde ich alleine klarkommen müssen, aber es ist dass jetzt was zählt und das zählt viel. Zwischenmenschlichkeit bedeuten Konflikte und mit Konflikten ist das so eine Sache, wenn deine Kindheit aus einem großem gewaltreichem ungelöstem Konflikt zweier Bezugspersonen besteht und du nur als Waffe funktionalisiert wurdest. Daraus resultiert wohl, dass ich der „nützliche Trottel“ bin, wie es meine geliebte Ex-Frau so charmant vor meinen Kolleginnen zu formulieren verstand (hat sie natürlich nie so gesagt). Zu gutmütig, sehr hilfsbereit, immer Anerkennung suchend, immer anfällig dafür ausgenutzt zu werden, den Fehler bei sich selber suchen, von Selbstzweifel zerfressen. Es wird besser. Mittlerweile habe ich nicht mehr diese Schuldgefühle, wie früher. Ich habe es geschafft mir ein anderes Mindset (augenrollend verwende ich dieses Wort) zu schaffen, eines welches immer noch nicht so positiv ist wie es sich ein Mentalcoach wünschen würde, aber ein bisschen Realismus darf schon sein. Ich fühle mich nicht mehr für alles verantwortlich was um mich herum passiert, und negative Schuldgefühlsschleifen für Dinge die Vergangen sind? Nein, nicht mehr, irgendwie habe ich mich anders programmiert und das ist auch gut so. Selbstbewusster. Habe ja kein Netz oder doppelten Boden mehr, keinen Heimathafen in den ich zurückfallen kann wenn es schiefgeht und glücklicherweise bin ich wirklich für niemanden verantwortlich, das Glück des Kinderlosen (wie gesagt, im Alter ist das so eine Sache, auf der anderen Seite falle ich dann auch niemanden zur Last). Da saß ich nun im Palatino und ließ die letzten 26 Jahre an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Hab viel erlebt und viel verpasst, es ging immer irgendwie weiter, auch wenn der Weg nicht immer klar zu erkennen war, es gab immer wieder schwierige Situationen in der vieles hätte kippen können, die ich auch jedes Mal meisterte und so wird es weitergehen bis es dann nicht mehr weitergeht.
Die Zeit verging wie im Fluge hier und der Sonnenuntergang stand an. Ich ging zu Plattform beim Brunnen des Pelte und bezog Position. Leider war das Licht beim direkten Sonnenuntergang nicht so gut, keine Wolken. Und wie es üblich ist wird man zum Sonnenuntergang gebeten den Ausgang zu suchen. Und dann wurde plötzlich das Licht gut. Tja, glücklicherweise gab es noch andere Touristen die zusammengetrieben werden mussten, so konnte ich mir noch ein bisschen Zeit nehmen und das Licht nutzen um ein paar Fotos zu machen. Schließlich verließ ich wieder den Palentino wie ich hineingekommen war, die junge flirtive Dame natürlich nicht mehr da, hatte natürlich auch nur den Himmel im Blick. Ich rannte zum Ende des Zirkus Maximus und konnte noch ein paar schöne Aufnahmen machen und schon stand ich am Monument to Giuseppe Mazzini und musste nur noch über die schwerbefahrene Straße und war schon auf dem Weg auf den Aventino und zum Buco della serratura dell’Ordine di Malta. Schlüssellochfotografie bei Nacht. Die Schlange war kurz, dann wieder runter zum Zirkus, dahinter vorbei und zum Casa Kolbe. Es ist mittlerweile ein Luxusrestaurant und Hotel darin, das Kloster (in dem sich das Hotel den Garten teilt) ist auch noch vorhanden. Nochmals in Erinnerung schwelgen und dann über das leere Kapitol mit Blick auf das nächtlich beleuchtete Forum und meinen geliebten Palatino zurück zum Kolosseum und dann Richtung Hotel mein Zimmer in Besitz nehmen. Satt war ich immer noch und schon war ich auch eingeschlafen.
Am nächsten Morgen gab es erstmal ein üppiges Frühstück im Hotel, und kaum unterwegs 3 bis 4 Kaffee in verschiedenen Bars. Ich war ein bisschen ziellos, stand aber plötzlich im Park der Villa Borghese. Gut, von hier aus kannte ich mich wieder aus. Vorbei an der Terrazza del Pincio, an der Villa Medici und dem Brunnen davor, der der mich immer fasziniert und ich weiß, dass sich dort ein gutes Foto machen lässt, leider habe ich noch nie die richtige Einstellung, Tageszeit, Licht, dafür gefunden. Irgendwann. Dann zu Spanischen Treppe und runter. Bloß nicht drauf setzten, da reagieren oder reagierte die Polizei allergisch drauf. Obligatorisch beobachtete ich das Schauspiel der jungen Asiatinnen und ihr Versuch sich wechselseitig gut in Szene zu setzten. Dem Spielchen kann ich ja stundenlang zuschauen. Eigentlich wollte ich mir die Engelsburg für den Sonnenuntergang aufheben und bin deswegen dann Richtung Trevibrunnen, der Hunger setzte gegen Mittag ein und ich wusste wo ich essen wollte. Also rein in die Metro und ab zur Pyramide, nahe bei ist ein sehr gutes Restaurant. Leider waren meine Augen sehr groß und ich war schon nach der Pinza a la Carbonare satt, die Pasta hätte es nicht mehr gebraucht. Insgesamt zu fettig, aber der Besitzer kam vorbei und wir kamen ein bisschen ins Gespräch. Er stellte mir einen Grappa hin, ich lehnte (ohne bedauern) ab und nahm aber den Kaffee den er mir dafür hinstellte dankend an. Es war wirklich angenehmes Wetter und ich hatte Zeit, somit lief ich dann den Weg zur Engelsburg, natürlich wieder am Schlüsselloch vorbei (es ist der Vatikan den man dadurch fotografieren kann) und in den Garten der Basilica di Santa Sabina all'Aventino. Ich gewann den Eindruck, dass ich verfolgt wurde. Ein junges Mädchen nein eher junge Frau in knappen T-Shirt und kurzer Hose zwängte sich immer wieder vor meine Kamera. Mein Wunschdenken, es war nicht absichtlich von ihr, aber jedes Mal wenn ich auf den Auslöser drücken wollte war sie vor der Linse. Ich wartete bis sie gegangen war, was sehr lange dauerte und machte mich dann wieder ans Werk. Im Anschluss die Treppen runter zum Tiber, dann zum Bocca della Verità und den Massen an durchquetschenden Asiaten vorbei über die Tiber Insel (früher Leprastation und heute Krankenhaus (in das ich 2015 gehen durfte, als Tourist kann man sich dort behandeln lassen)), den Fluss entlang zur Engelsburg. Ich freut mich sehr auf den Kaffee oben auf der Burg und konnte es kaum erwarten, bin den Weg beinahe gerannt. Vor der Burg eine untypische Schlange, es dauerte aber nicht lang und ich war drin, einmal rundherum, innenrein und die Verteidigungsanlage hoch und oben zur Bar nur um enttäuscht festzustellen dass diese wegen Renovierung geschlossen war. Das war schon ein bisschen enttäuschend, das zog mir erstmal die Schuhe aus, aber auch weil ich wirklich viel gelaufen war, den ganzen Tag. Dann bin ich hoch aufs Dach und wartete in einer Menschentraube auf den Sonnenuntergang. Ich hatte mein Foto (ohne Freude, die Kaffeeentäuschung wog schwer) und dann auch raus aus der Burg, ich hatte noch eine andere Aufnahmen im Sinn. Vorbei an den Läden entlang des Tibers, mit den Bouquinistes de Paris kannst du das nicht vergleichen. Keine Bücher sondern Fußball & christliche Götzenverehrung. Dann stand ich neben vielen anderen auf einer Brücke (Umberto I) über den Tiber und hatte Glück mit dem Licht, den Vögeln und einem kleinem Plätzchen dass ich zwischen den anderen Touristen ergattern konnte. Schönes Foto mit dem Vatikan und der in Renovierung befindlichen Engelsbrücke im Hintergrund. Müde aber irgendwie zufrieden ging es zu Fuß zurück zum Hotel, vorbei an den Autos die auf den engen römischen Straßen im Stau standen. Zu Fuß ist man in der rush-hour einfach um einiges schneller unterwegs in Rom. In diesem Sinne.
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