top of page

Getrieben

  • Autorenbild: Ralph
    Ralph
  • 26. Jan.
  • 8 Min. Lesezeit

Es ist eine Frage der Perspektive, wie so vieles. Gerade bin ich mit dem ICE auf dem Rückweg nach Essen in die Wohnung die ich noch 2 Nächte bewohnen werde. Danach bin ich Wohnungs- und Heimatlos.  So vieles gibt es noch zu erledigen, so vieles habe ich bereits erledigt. Vor Weihnachten viel mein Entschluss aus Deutschland zu gehen endgültig, nach dem 6 Januar bekam die ganze Sache eine ganz eigene Dynamik. Verträge Kündigen, Wohnung kündigen, Vertrag unterschreiben, so vieles Regeln, renovieren, packen, aussortieren, verkaufen, Nachmieter suchen, Dinge regeln, Projekte beenden….  Manchmal muss ich mich schon an meinen Kopf fassen. 14 Jahre habe ich um eine Festanstellung im Akademischen gekämpft, seit Oktober 24 hatte ich mein Ziel erreicht und unterschrieben. Zugegebenermaßen habe ich mir den erpresst (gar nicht meine Art, normalerweise), eher unfreiwillig, ich wusste ja nicht, dass man dem stattgeben würde. Ich hatte ein sehr verlockendes Angebot aus Berlin dem ich eigentlich sehr gerne nachgegangen wäre und suchte natürlich eine Möglichkeit aus meinen Verpflichtungen in Essen herauszukommen und setzte die Pistole auf die Brust, entweder permanent (in meinem Alter auch keine so abwegige Forderung) oder ich mache den Abflug. Da saß ich dann bei Trasis in Lüttich im Videogespräch und konnte es gar nicht glauben, dass mir Essen eine Festanstellung in Aussicht (sehr konkret) stellten. Herzlichen Dank dafür (wirklich ich weiß das sehr zu schätzen!). Soviel zu meinem Plan. So geht das also?  Und ich? Am Ende meiner Ziele? Mitnichten! Gelegenheit macht Diebe, aber es kam auch schon ein ganz schönes Knallerangebot Ende Oktober um die Ecke. Verbunden mit Auswandern auf den Kontinent am anderen Ende der Welt, weiter ist nur der Mond weg. Eigentlich musste ich nicht nachdenken, innerlich begann ich schon mit der Planung des Ablaufes. Konkret wurde es dann bald, was aber auch bedeutete, dass ich mich von sehr viel liebgewonnenem Trennen musste. Von Valeska, von meiner Wohnung, von Einrichtung, von Freunden, von Verwandten sowie Orten & Plätzen. Da stand ich nun in der 2ten Januarwoche und begann auszusortieren. Was war wichtig, was kann ich behalten, woran hängt mein Herz. Der Verkauf meiner 40 Jahre alten Comicsammlung schmerzte mich sehr, eher scherzartig stelle ich sie zum Verkauf, überrascht war ich wieviel anfragen ich bekam und welchen Preis. Eine Stunde später stand ein schwer schnaufender älterer Mann in meiner Wohnung der mir erlaubte noch ein paar meiner Lieblingscomics aus der Sammlung zu behalten. Den Rest trug ich ihm in sein Auto, soviel Geld, dachte ich nie, dass ich noch dafür bekam. Das selbe Spiel mit meiner CD Sammlung, inseriert mit Überraschungsbox über 300 CDs, überwiegend Heavy Metal. Die meisten digitalisierte ich noch schnalle und brachte 45 kg Tonträger zum versenden zur Post (Danke Valeska). Ich bekam bis auf meine Wasserbett und einen Tisch alles verkauft. Insgesamt nahm ich einen Batzen Geld ein, der hätte wohl für meine Beerdigung gereicht, aber weit weg von dem Betrag den ich für die Items ausgegeben hatte. Egal, ich wollte eh mal ausmisten. Was ich behielt passt auf 6 m3  von ehemals einer 5 Zimmer Wohnung. Vor allem IKEA ging weg, das war teilweise sehr stressig, diese vielen Anfragen. Was ich jedoch nicht ganz verstanden hatte waren die Leute die einem Romane geschrieben haben warum sie zu einem bestimmten Termin nicht kommen konnten, sorry next. Nebenher die Wohnung renoviert, Nachmieter gefunden, Verträge gekündigt und gearbeitet und und und. Und jetzt dieses Wochenende meine letzten Habseligkeiten nach Stuttgart zum einlagern bei Bina gebracht, Willi (wer den sonst) half mir. Also er fuhr den Sprinter und er hat tatsächlich eine Kommode mit mir ins Auto getragen, 3 Stockwerke runter und hat sich danach demonstrativ in den Bäcker gesetzt und Kaffee getrunken und die verbrauchten Kalorien wieder aufgefüllt. Zu seiner Verteidigung, die eine Kommode war schon deutlich mehr als das was er an seinem eigenen Umzug im Dezember getragen hatte. Zur gleichen Zeit hatte ich noch jemand da der inseriertes Holz abgeholt hat. Nebenbei habe ich dem Mann noch die letzten Items (Spiegel, 2 x Hunde (Brett mit Rollen), Spanngurte) verkauft. Der Gute wusste gar nicht wie ihm geschah, wie ich ihm das Geld aus der Tasche zog und meinen letzten unnützen Tant loswurde. Dann kam noch eine Dame die 2 Ikeastühle holte, ich sah ihr schon an der Kleidung ihre politische Gesinnung an, solche Leute verstecken sich heutzutage nicht mehr. Auf dem runterweg erzählte ich ihr, dass ich auswandere weil mir einfach zu viele Nazis mittlerweile in diesem Land sind, hätte ich Zeit gehabt, hätte ich ihr die Stühle verweigert. „Aber Aschaffenburg“ kam von ihr. Das bei diesem traurigen Akt ein marokkanisch stämmiges Kind getötet sowie ein syrisches Kind verletzt wurden, soweit hatte sie die Artikel nicht hinuntergescrollt. Opfer der Schlagzeilen. 24 mal musste ich laufen dann war mein restliches Eigentum auch schon eingeladen, noch die Fahrräder hinten rein und ab ging es nach Stuttgart.

Irgendwann in Stuttgart angekommen, alles verteilt, die Fahrräder zu den einzelnen Mechanikern gebracht. Eigentlich wollte ich das Breezer im Flugzeug mitnehmen, nach der Wartung, Martin kam aber mit einer wunderbaren Idee um die Ecke, das versenden mittels DHL, könnte funktionieren, wenn nicht stellen wir das Bike bei Bina unter bis ich die anderen Sachen hole. Die Idee macht vieles einfacher. Es kam ein wohl wenig ernstgemeintes Angebot für das Fahrrad von jemand via Whatsapp rein, aber das Fahrrad ist zum fahren da, nicht zum besitzen und verstauben. Dafür habe ich jetzt auch sehr viel Geld reingesteckt, so runtergefahren hatte ich es. So ein Schalthebel kostet ganz schön viel Geld. Viel Nachrichten die ich die Tage bekam habe ich nicht verstanden, viele komisch, aber ich bin jetzt einfach in einem Alter in dem ich weiß, dass Neid die schönste Form der Anerkennung ist und ich kann mittlerweile Neid von Missgunst unterscheiden. Danke.

So Freitag war voll mit weiteren Terminen, irgendjemand sagte mir, dass es nicht möglich ist sein Konto in Deutschland zu behalten wenn man im Ausland wohnt, Fehlinformation! Ne Problem pas! Dann hier hin, dann dort hin, Vollmachten, Unterschriften etc. Abends war ich durch mit allem und mit dem Tag, ziemlich müde viel ich ins Bett um mich am nächsten Morgen sehr früh, im Fragola mit meinem guten Freund George ein letztes mal zu treffen. Das war sehr schön! War ganz froh, dass Tine mir absagte, wollte mich nochmal umarmen, aber auf der anderen Seite, mit ihren Kindern im Schlepptau, wäre das auch sehr unentspannt geworden, deswegen war ich froh gleich nach GD durchzufahren. Auf zum alten Mann, nach dem Rechten sehen, einkaufen, Besorgungen für ihn machen, verabschieden. Ich brachte es nicht über das Herz im zu sagen was vorgeht. Dann mit meinem Freund Lars noch durch GD schlendern um dann endlich auf den Weg zu machen wofür ich eigentlich kam. Daniela hatte so etwas wie ein kleines Klassentreffen organisiert, bei sich in Leinweiler, in ihrer Küche. Zuerst aber musste ich ihr irgendwie entgegenkommen so ganz ohne Fahrrad bin ich ein bisschen abhängig (etwas was mir nicht gefällt) und wollte den Zug bis Mögglingen nehmen, aber leider Vollsperrung. Das Taxi hätte mich 50 Euro gekostet, für die paar Meter. So überlegte ich tatsächlich zu trampen, glücklicherweise gibt es noch Busse. Früher mehrere Jahre meine Stammstrecke, heute so eine ferne Alternative. Das Fahrrad macht mich unabhängig, ich bin weder auf Öffis noch auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen. Bei Wind und Wetter, rauf auf den Bock, bisschen kurbeln, zack da. GD – Leinzell ca 20 – 30 Minuten, je nach Laune. Dieses Mal jedoch nicht, ich hatte meinen Bock bei Martin und da ich weder 50 Euro zahlen wollte, noch, dass mich Daniela so weit entfernt abholen musste nahm ich den Bus. Wirklich früher meine Stammstrecke und was soll ich sagen, ich habe es überlebt, sogar genossen. Keine große Geschichte. Thomas holte mich sogar an der Bushaltestelle mit dem Auto ab und schon stand ich in einer mittlerweile sehr wunderschön hergerichteten Küche eines alten Bauernhauses. Ich habe die einzelnen Phasen der Renovierung mitbekommen und ich muss sagen es hat mich sehr beeindruckt was die beiden daraus gemacht haben. Wunderschön. Langsam füllte sich diese riesige Wohnküche mit Leuten deren Gesichter und Geschichten  man kannte. Mittlerweile sind wir alle ein bisschen älter, die meisten verheiratet (oder wieder geschieden) mit 1,2,3 Kindern in unterschiedlichem Alter, mit Haus, mit Arbeit oder gerade halt nicht. Mit Lebenswegen und Schicksalen. So schön diese Menschen wieder zutreffen mit denen man groß geworden ist und 6 Jahre die Schulbank drückte. Geschichten über Leute hörte, die nicht anwesend sein konnten. Neue & Alte. Menschen die man vergessen hatte, Geschichten die einem anders in Erinnerung geblieben waren. Schicksale! Und ich mittendrin dem lauschend und mir fragen stellen. Was wäre gewesen, wenn? Wie wäre es gewesen? Was wäre passiert? Wenn du einfach nicht so getrieben und ruhelos wärst. Was wäre passiert wärst du damals in deiner Heimat geblieben? Was wäre aus dir geworden? Was wenn du nach deinem Zivi Heil- und Erziehungspfleger gelernt hättest? Was wenn du sesshaft gewesen wärst und nicht immer von einer Vorstellung getrieben die du dir selber eh nie erfüllen kannst. Was wäre gewesen wenn jemand „Belieb doch“ gesagt hätte. Sei doch zufrieden. Neid! Jetzt saß ich da in dieser Küche umringt von Menschen mit denen du vor 30ig Jahren die Schulbank drücktest, lauschte ihren Geschichten und Lebenswegen und wurde klein und unbedeutend und neidisch. Neid, meine lieben Freunde, ist die schönste Form der Anerkennung!  Was wäre gewesen wenn ich sesshaft gewesen wäre? Wäre ich glücklicher, zufriedener, ruhiger, sicherer? Das was ich gerade mache, das Ding das ich Leben nenne, so ganz ohne Netz und doppeltem Boden ohne sicheren Hafen zum zurückrudern, so wie ich das nun mittlerweile seit langem praktiziere, das ist wirklich wie schwimmen im freien Meer, ohne Land in Sicht ohne festen Boden, du bist ganz auf dich gestellt, hörst du auf zu schwimmen gehst du unter. Nun ja so ganz ohne Sicherheit ist es ja nicht. Ich habe mich, und ich habe mein Skillset, die Fähigkeiten immer auf den Pfoten zu landen und weitermachen zu können, egal was kommt, egal wie sehr es dich auf die Fresse haut,  aufstehen Knochen richten, weitermachen, so lang, so lange, bis es irgendwann dann einfach mal nicht mehr geht. Und so saß ich da und lauschte und hatte Sehnsucht nach dem Leben anderer, nach der Reife, der Ruhe und verabscheute meine Getriebenheit. Denke eventuell andere beneiden mich um die Freiheit, Dinge tuen zu können die mit Kindern und Immobilen nicht möglich sind. Und wieder saß ich da und fragte mich warum ich nicht das Angebot abgelehnt hatte? Warum habe ich es mir angehört, warum gehe ich diesen Schritt? Was triebt mich? Ich laufe diesmal nicht weg, das weiß ich. Vielleicht hätte es gereicht wenn jemand „Bleib doch“ gesagt hätte?

Es wird wohl nie Jemand zu mir sagen, deswegen werde ich immer getrieben sein, weil ich mich nirgends zuhause angekommen fühle. Auch das Auswandern, ich weiß nicht ob dies das Ende des Weges für mich ist? Wer weiß was in 6 Monaten ist, ich weiß es nicht. Vielleicht sagt jemand mal „Bleib doch“ und das getriebene hört auf.

Um 4 Uhr morgens ging es endlich ins Bett, die obligatorischen Gespräche über Politik am Ende des Abends. Nur um dann vor 8 Uhr von Charlotta der 6 jährigen Tochter von Dani & Thomas liebevoll geweckt zu werden. Sie streichelte mir den Unterarm entlang bis ich die Augen auf der Couch aufmachte. Sie lächelte mich an mit einem Hasen im Arm. Sie wollte mir Hasi und Hoppel (hoffe ich habe die Namen richtig behalten) vorstellen. Man hatte ihr gestern gesagt, dass ich gerne früh aufstehe. Danke Heike, vielmals! Selten so nett geweckt worden, nach 3 Stunden und ein bisschen Schlaf!  Irgendwann kamen Dani & Thomas auch in die wirklich schöne Küche zum kaffeetrinken und dann ging es auch schon zum Bahnhof. Die Rückfahrt durch das Remstal, soviel ging mir durch den Kopf, rastlose und getriebene Gedanken an die Vergangenheit mit trauriger Musik auf den Ohren, winzige Tränen rinnen aus den Augen die Wangen herunter. Mal wieder Abschied. Langsam dämmert mir was ich da mache, der abstrakte Gedanken des gehen wird realer und ich wünschte mir, jemand würde endlich sagen, dass ich bleiben darf.

In diesem Sinne, no worries mate!

 

P.S.: Da ich mal wieder auf „Rechtschreibfehler“ angesprochen wurde und „och Ralph, solche Fehler“. Ich bin Legastheniker, ich mache keinen Hehl daraus, es ist eine Behinderung, so f/(k off, geht weiter und quatscht mich nicht darauf an. Ihr müsst es nicht lesen! Die einen können links nicht von rechts unterscheiden und ich schreibe manche Worte fälschlicherweise groß, manche klein, manche mit h wo keins hingehört oder halt ohne h, mit doppel n und einfach n. Danke für das Verständnis.

 

                                                                                                                                                                              

 
 
 

Comentários


bottom of page